Eine Marlene für alle Fälle
(AUGSBURGER ALLGEMEINE vom 11. Dezember 2008)
von Uli Glatz

Eine gelungene Seelenwanderung

Neuburg Außergewöhnliche Frauenrollen sind die Spezialität von Eva Zwack. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Grande Dame des Neuburger Boulevardtheaters in ihrem aktuellen Stück in die letzte Kurfürstin Bayerns verwandelt. Ihr selbst verfasstes Theaterstück „Maria Leopoldine“ feierte als Eigenproduktion des Neuburger Stadttheater erfolgreiche Uraufführung.

Schon im Vorfeld und dann natürlich auch bei der anschließenden Premierenfeier im Theaterfoyer (zu der Kulturamtsleiter Dr. Dieter Distl alle Zuschauer einlud) wurde viel darüber diskutiert, ob ein Theaterstück - im Gegensatz zur Biografie - über eine der wohl interessantesten historischen Persönlichkeiten Raum für eigene Ideen und Interpretationen bieten darf.




Eine, die ihrer Zeit weit voraus war


Was ist künstlerische Freiheit und was ist einfach nur Verfälschung geschichtlicher Tatsachen? Um es vorwegzunehmen: Eva Zwack gelingt dieser Spagat. Unterhaltsam, verständlich und immer mit einem Tupfen Ironie baut sie eine Brücke zwischen einer trotzigen und teilweise überforderten 18-Jährigen bis hin zur emanzipierten Frau mit ausgeprägtem Geschäftssinn. Dieser Kontrast zwischen Frau und Fürstin liegt der designierten Neuburger Kulturpreisträgerin besonders am Herzen. Die Autorin spricht von einer „Seelenwanderung“.

Maria Leopoldine unterschied sich wesentlich von den anderen Frauen, die sich gesellschaftlichen und dynastischen Regeln unterwarfen und sich, ohne zu hinterfragen, ihrem Schicksal zugunsten familiären Wohl und oft auch des Staates beugten. Sie war, so kann man es wohl sagen, ihrer Zeit voraus - vielleicht auch etwas zu weit voraus. Ihr angeborener Geschäftssinn und ihr wirtschaftliches Feingefühl wurden damals nicht immer als positiv und fortschrittlich gesehen. Im Gegenteil: Ihr Erfolg, gepaart mit Fleiß, Arbeitseifer, Fachkenntnis und Interesse an wirtschaftlichen Vorgängen, rief viele Neider auf den Plan, die Maria Leopoldine das Leben nicht gerade erleichterten.

Nach dem Tod Karl Theodors verlor Marie Leopoldine alle moralischen Hemmungen, legte sich wechselnde Liebhaber zu und verbrachte die meiste Zeit auf skandalösen Festen und in Spielkasinos. Im Zuge einer dieser Affären wurde Leopoldine schwanger.


Zwei einschneidende Erlebnisse sind für Eva Zwack der Schlüssel zu Leopoldines rastlosem und trotzig aufbegehrendem Leben: Einmal die Zwangsehe mit dem 52 Jahre älteren Kurfürsten Karl Theodor, dem sie zu einem Thronerben verhelfen soll. Und zweitens die gewaltsame Entfernung aus München, um in Laibach ihr lediges Kind zur Welt zu bringen und dieses dann in fremde Obhut geben zu müssen. Dieses Laibacher Kind, dessen Vater, Name und weiteren Lebensweg bis heute nicht ermittelt werden konnte, zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück. In der zweiten Hälfte spielt Zwack diese fiktive Tochter und lässt sie ihre Lebensgeschichte erzählen.

Tochter wurde versteckt, um den Ruf nicht zu schädigen

Frustration und Ärger sind die herrschenden Eindrücke der Tochter, die versteckt wurde, um den Familienruf nicht zu schädigen. Nicht ganz klar wird dabei dem Zuschauer, ob sich diese Kritik nicht zu recht gegen die Mutter, Marie Leopoldine, richtet. Die Kurfürstinwitwe liebte das gesellschaftliche Leben am Hofe in München und ein uneheliches Kind hätte da vermutlich nur gestört. Zwar macht sich Leopoldine immer wieder Sorgen und hat auch ein schlechtes Gewissen, von schrecklichen Alpträumen ist die Rede, aber für das Auffinden des Kindes sorgt sie auch in den späteren Jahren nicht.

Und auch ein wenig Zeitkritik lässt sich aus dem Stück lesen: Trotz ihres fulminanten Geschäftssinns unterstützte sie gerade arme Bauernfamilien und zahlte Renten. Den Orden der Elisabethinerinnen und damit die Kliniken St. Elisabeth spendete sie sehr großzügig und erleichterte deren Aufbau und das Wirken. „Ein solch soziales Engagement wünscht man den heutigen Politikern und Managern“, so Zwack.

Nicht Verzweiflung, sondern Kampf

Leopoldine verzweifelt nicht, sondern beginnt zu kämpfen. Der Druck ihrer Erlebnisse ist der Motor für ihr geschäftiges Treiben. Dabei nutzt sie ihre Beziehungen, um zu lernen und zu wirtschaftlichem Erfolg zu kommen. Die außergewöhnliche Frauenrolle konzentriert sich bei Eva Zwack nicht auf den unbeschreiblichen Reichtum der Kurfürstin, sondern auf den Menschen - oder besser: die Frau. Es ist eine Seelenwanderung über eine Brücke hin zu dieser historischen Persönlichkeit. Diese gelingt Eva Zwack vortrefflich.

[ hier geht's zurück ]

Stücke Hier können Sie mich buchen Meine Vita So können Sie mich erreichen