Was tun mit einer Leiche...
(DONAUKURIER vom 27.3.2006)

Was tun mit einer Leiche, die plötzlich auf dem eigenen Sofa sitzt? Erstaunlich unaufgeregt geht die Souffleuse (Eva Zwack) mit den sterblichen Überresten der Schauspielerin um, die samt Schoßhündchen zu einem Überraschungsbesuch bei ihr hereingeplatzt ist und dann das Zeitliche gesegnet hat. „Weiß der Himmel, was bei dir marode war – sei froh, dass ich zur Stelle war und kein Sanitäter auf deiner Brust herumspringt“, plaudert die Souffleuse mit der Leiche. Das Chloroform, mit dem der Hund betäubt wird, Hasstiraden auf die Diva und gewisse schizoide Züge – von Eva Zwack wunderbar unaufdringlich in Szene gesetzt – lassen jedoch Zweifel an der Version des natürlichen Todes aufkommen, zumal die Souffleuse als Todesursache festgestellt hat: „Die plötzliche Aufwallung von Menschlichkeit hat sie umgebracht.“ Reichlich Applaus erhielt Eva Zwack nach der Premiere „Die Schneeköniginnen“ im Theater des Studienseminars in Neuburg, obgleich das leider nur gut zur Hälfte besetzt war.

Hier die Diva – dort die verhinderte Bildhauerin, Regieassistentin, Schauspielerin, die sich der festen Anstellung wegen mit dem Job als Souffleuse zufrieden gegeben hat. Jahrelang verachtet, missachtet oder überhaupt nicht beachtet, als Angehörige der SU (Soziale Unterschicht) bestenfalls als Fußabtreter geeignet – jetzt schlägt ihre Stunde. Im Einbalsamieren zwar nicht ganz so geübt wie die alten Ägypter, aber wissend, dass Chemie dazu gehört: „Ich weiß, das riecht unangenehm, aber wenn Sie verfaulen, stinkt´s noch schlimmer“, macht sie sich daran, die Leiche in Ton zu verpacken. Schließlich ist der Tod ein Umweltproblem, egal, ob Grundwasserverschmutzung bei Erdbestattung droht oder Luftverschmutzung bei Feuerbestattung.

Zwischen bittersüßer Selbstironie, Galgenhumor, bissigem Witz und Gesellschaftskritik – bei aller Bewusstheit des eigenen Anteils - lässt Zwack die Hauptfigur changieren. „So viele Fenster, wie ich zuschlagen möchte, habe ich gar nicht“, sagt sie, die als Mieterin aus Respekt vor dem Teppichboden die Bildhauerei vernachlässigt hat.

Schauspielerisch eine beeindruckende Leistung. Zwack fesselt im gut einstündigen Monolog mit der Stimme, den Gedanken, die sie anklingen und nachhallen lässt und bewegt sich sicher auf dem Glatteis, Wahnsinn anzudeuten, aber nicht zu überziehen. Ungewöhnlich für ein Einpersonenstück das opulent ausgestattete Bühnenbild ganz in Weiß (Franz Appel, Raphael Stieler), das Zwack –ebenso weiß im Schutzoverall – trotzdem mühelos dominiert. Hundegebell oder narkotisiertes Stöhnen und die Stimme Fernandos (Otto Schaffelhofer) halten die Souffleuse noch eine Weile in der Realität, doch auch die versinkt angesichts aufkommenden Wahnsinns: „Die Schauspielerin ist tot, das Theater halbtot, doch die Souffleuse lebt“. Eine gelungene Inszenierung der „Komödie“ von Kerstin Specht, die – bei aller Komik und gekonnten Wortspielereien - wohl eher eine Tragikomödie geschrieben hat, deren tragische Aspekte unter Regie von Fassbinderschauspieler Hans Hirschmüller fein herausgearbeitet werden.
Andrea Hammerl

Foto und Text von Andrea Hammerl

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